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Beitrag vom 22.05.2015
Gehorsam. Eine Installation in 15 Räumen von Saskia Boddeke & Peter Greenaway
AVIVA-Redaktion
Das Jüdische Museum Berlin zeigt vom 22. Mai bis 15. November 2015 die Sonderausstellung des Amsterdamer Künstler_innenpaares, die auch Sarah und Hagar einen eigenen Raum widmen. Visuell opulent...
... inszeniert wird die viel diskutierte biblische Erzählung vom Gottesbefehl an Abraham, den eigenen Sohn zu opfern, von der Multimedia-Künstlerin Boddeke und dem Filmemacher Greenaway.
Während sich der biblische Text in erster Linie mit Abrahams Gottestreue befasst, nehmen Boddeke und Greenaway das Schicksal des Sohnes, der geopfert werden soll, in den Blick und projizieren das Drama seines drohenden Todes auf heutige Krisen- und Kriegsgeschehen.
"Die Installation ist eine aktuelle und sehr persönliche Interpretation eines biblischen Textes, der in den drei monotheistischen Religionen auf sehr unterschiedliche Weise zum Kern der religiösen Überlieferung gehört", sagt Cilly Kugelmann, Programmdirektorin des Jüdischen Museums Berlin.
Gegenwartsbezug
Schon im Foyer wird den Besucher_innen die Kernfamilie der biblischen Geschichte filmisch vorgestellt: Abraham, Sarah und ihr Sohn Isaak. Zu Beginn der Ausstellung lenkt die große Video-Installation "I am Isaac / I am Ismael" das Interesse auf die beiden Söhne, den Erstgeborenen Ismael und den sehnsüchtig erwarteten Isaak. Die Statements von Kindern und Jugendlichen, die im Vorfeld der Ausstellung aufgerufen waren, sich als Isaak oder Ismael zu identifizieren, bilden für die Künstler_innen einen wichtigen Auftakt zur Ausstellung. Die Kinder klagen stellvertretend für alle Kinder ein Recht auf Schutz ihres Lebens ein. Dieses Motiv wird in mehreren Installationen variiert. Eine Fotogalerie mit Bildern von Vätern oder Müttern mit ihren Kindern nimmt das Verhältnis von Autorität und Schutzbefohlenen auf. Einen dramatischen Höhepunkt bildet im Raum "Sacrifice" die größte Filminstallation, die das Isaak-Opfer mit Szenen von Kindern in aktuellen Krisen- und Kriegsgebieten verknüpft.
Filmspur durch die Ausstellung
Das Amsterdamer Künstler_innenpaar löst die biblische Geschichte aus ihrem theologischen Zusammenhang und setzt sie durch die Betonung herausragender visueller Fragmente neu zusammen. Hierzu greifen sie auf Legenden und Rituale in Judentum, Christentum und Islam zurück. Boddeke und Greenaway gestalten das Thema als eine große Multimedia-Installation auf 900 m² Ausstellungsfläche. Für den inneren Zusammenhalt sorgen eigens produzierte Filme, die in 15 Sequenzen in den Räumen gezeigt und von einem hierfür komponierten Soundtrack des Musikers Luca D´Alberto unterlegt werden. Diese Filmspur treibt als visueller, tänzerischer Kommentar das dramatische Geschehen voran. Dazu zählen eine Serie von Vater und Sohn auf dem Wege, Langzeitaufnahmen der legendären Tatorte des Geschehens oder die Opfererzählung selbst, getanzt von der renommierten israelischen Gruppe Club Guy & Roni (Groningen). Als Pendant zu den Filmen führt eine Textspur aus Kalligrafien mit Zitaten aus den jüdischen und islamischen Legenden durch die Ausstellung.
15 Themenräume
Die Ausstellung ist szenisch angelegt, Rauminstallationen geleiten die Besucher_innen durch die biblische Erzählung. Die Rituale und Legenden rund um die Geschichte werden in Multimedia-Installationen, Kalligrafien an den Wänden und anhand kostbarer Objekte und Arbeiten zeitgenössischer Künstler_innen vorgestellt. So rückt in dem als Pracht- und Schatzkammer gestalteten "Golden Room" der literarische Text ins Blickfeld. Präsentiert werden eine hebräische und eine lateinische Bibel, eine Koranschrift und andere kostbare Manuskripte. Es folgt ein gleißend weißer Raum zum Thema Gott und Engel, ein tiefdunkler schwarzer Raum, inspiriert durch das muslimische Ritual der Steinigung des Satans während der Wallfahrt nach Mekka, der Abraham zum Ungehorsam gegen Gott anstiftet. Atmosphärisch dichte Räume und kühle Rauminstallationen führen in die Bedeutung der Geschichte von der Opferung Isaaks für die drei Religionen ein. Sarah und Hagar, den beiden Müttern, widmen die Künstler_innen einen eigenen Raum. Eine Installation mit tropfenden Wasserflaschen greift die Errettung Hagars und ihres Sohnes Ismael vor dem Verdursten in der Wüste auf und zitiert das heilige Zamzam Wasser, das während der Wallfahrt getrunken wird. Der "Widder-Raum" mit Damien Hirsts "Black Sheep with Golden Horns" (2009) ist dem Ersatzopfer für Abrahams Söhne Isaak und Ismael gewidmet. Diesem folgt der mit Schafswolle ausgelegte Raum "Agnus Dei". Der Schafsgeruch ist Teil der multisensorischen Erlebnisqualität der Ausstellung.
Das Künstler_innenpaar Boddeke-Greenaway
Seit 20 Jahren arbeiten Saskia Boddeke und Peter Greenaway zusammen. Die Installation im Jüdischen Museum Berlin ist ihr erstes Museumsprojekt in Deutschland. "Unsere Zusammenarbeit bedeutet ständige Auseinandersetzung, eigentlich Kampf, es hält die Ideen lebendig", sagt Saskia Boddeke. Gemeinsam ist beiden die Liebe zur Oper und Opulenz. Ihre Ausstellungen, Multimedia-Installationen, Opernaufführungen und Video-Mappings werden weltweit mit großem Erfolg gezeigt. Beide sind weiterhin auch allein tätig, Boddeke mit Performances und Multimedia-Shows, Peter Greenaway seit den 1980er Jahren mit Filmen, zuletzt im Wettbewerb der Berlinale 2015.
Laufzeit der Ausstellung: 22. Mai bis 15. November 2015
Ort: Jüdisches Museum Berlin, Altbau, 1. OG
Eintritt: mit dem Museumsticket (8 Euro, erm. 3 Euro)
Es wird während der Laufzeit Gespräche in und über die Ausstellung mit speziell geschulten Guides geben.
Informationen zur Ausstellung und zum Begleitprogramm, sowie den Trailer finden Sie unter: www.jmberlin.de/gehorsam
Der Begleitband "Gehorsam", herausgegeben von Peter Greenaway, Margret Kampmeyer-Käding und Cilly Kugelmann im Auftrag des Jüdischen Museums Berlin ist im Kerber Verlag erschienen (156 Seiten mit 92 ganzseitigen Abbildungen, 35 Euro im Buchhandel, 30 Euro im Museumsshop).
Quelle/Copyright Text: Jüdisches Museum Berlin